Rastatt im Dritten Reich                            gegen das Vergessen
 

Reichspogromnacht


In der Folge des Attentats vom 07.November 1938 auf den deutschen Botschaftssekretär Ernst vom Rath durch den Juden Herschel Grynszpan in Paris wurde das Pogrom des 10.November 1938 durchgeführt. Entgegen der Darstellung der Presse des Pogroms als "spontaner Vergeltungsschlag" war dieses doch schon lange geplant und das Attentat diente lediglich als offizieller Grund. Der Rastatter Bürgermeister Josef Kalmbacher erfuhr gemeinsam mit Ortsgruppenleiter Hund durch den Kreisleiter Dieffenbacher von den für noch denselben Tag geplanten "Aktionen" in ganz Deutschland am frühen Morgen des 10.November. Dieffenbacher erlärte den beiden Anwesenden die Notwendigkeit, auch in Rastatt eine solche Aktion durchzuführen.  So wurden noch am Vormittag die jüdischen Männer verhaftet und zunächst ins Bezirksgefängnis eingeliefert. Gleichzeitig zogen Parteimitglieder und schulpflichtige Jugendliche durch die Stadt und zerstörten jüdische Wohnungen und Geschäfte.

Am Nachmittag dann demolierten SS-Leute die Inneneinrichtung der Synagoge und setzten sie anschließend in Brand. Angehörigen der Feuerwehr wurde das Löschen der Synagoge untersagt. Sie sollten lediglich ein Überspringen des Feuers auf umliegende Gebäude verhindern. Das Kantorenhaus  blieb vom Feuer verschont und steht noch heute.

Am Abend wurden die inhaftierten jüdischen Männer durch die Stadt bis zum Bahnhof "geführt". Dabei waren sie den verbalen und körperlichen Angriffen der Rastatter Bürger ausgesetzt. Sie wurden beschimpft, getreten und mit Steinen beworfen. Am Bahnhof angekommen, verlor der Mob endgültig die Kontrolle und es kam zu weiteren Mißhandlungen.

Dennoch konnte man am nächsten Tag in der Zeitung lesen: " Keinem Juden wurde auch nur ein Haar gekrümmt."

Dieser Darstellung der Presse widerspricht der Bericht des amerikanischen Generalkonsuls Samuel W. Honacker deutlich:

"Von allen Orten in diesem Bereich Deutschlands waren die Juden in Rastatt, was in der Nähe von Baden-Baden liegt, offenbar der unbarmherzigsten Behandlung ausgesetzt. Viele Juden in dieser Gegend wurden auf grausame Weise angegriffen und geschlagen und die Einrichtung ihrer Häuser fast völlig zerstört. Praktisch alle jüdischen Männer dieser Stadt wurden verhaftet und entweder ins Gefängnis oder Konzentrationslager gebracht."

In der Folge des Novemberpogroms gerieten die wenigen noch in Rastatt verbliebenen Juden immer mehr unter Druck. Diejenigen, die noch Läden oder Praxen besaßen, verkauften diese im Rahmen der "freiwilligen Arisierung" weit unter Wert. Zudem hatten die wenigen noch in Rastatt lebenden Juden den Schaden an ihrer Synagoge innerhalb kürzester Zeit zu bezahlen. Ebenso die Sprengung und die Aufräumarbeiten, die in Rastatt zügig vollzogen wurden, damit niemand die Ruinen betrachten musste. Deutschlandweit mussten Juden als sogenannte "Sühneleistung" für das Novemberpogrom 20% ihres Vermögens an den Staat abgeben.

Bald darauf mussten Bargeld, Wertpapiere, Schmuck und andere Wertgegenstände auf Sperrkonten deponiert werden - zu diesem Zweck waren Juden ja gezwungen worden, sämtliche Vermögenswerte anzumelden. Zugriff auf diese Sperrkonten musste beantragt werden und wurde natürlich in aller Regel nicht genehmigt. Bei Deportation fiel das gesamte Vermögen an den Staat. 

Im Jahr 1940 galt Rastatt bereits als "judenfrei". Von den ins Vernichtunglager Gurs deportierten Rastatter Juden überlebten nur 2 Frauen. Eine davon kehrte nach Kriegsende im Jahr 1945 nach Rastatt zurück.